Sonntag, 18. 9. 2005:

Das Handy hat eine unangenehme Eigenschaft: Es weckt mich um 7:15 Uhr. Es macht mir nicht besonders viel aus, denn in der Nacht tat sich einiges. Zuerst bellten die Hunde immer wieder wie auf Kommando weiß Gott wie lange, um dann prompt zu verstummen und dann, es muss in den früheren Morgenstunden gewesen sein, wird unser gegenüber wohnender Nachbar anscheinend von jemandem abgeholt. Da unsere Schlafzimmertür direkt auf die Straße führt, die Tür nicht besonders gut dichtet, höre ich alles. Die Leute reden in einer Geschwindigkeit, die wohl kaum noch zu überbieten ist. Die Autotüren werden mehrmals auf- und wieder zugedonnert, dem Geräusch nach montieren sie den Anhänger für die kanarischen Hunde und letztendlich höre ich, wie die Hunde in den Anhänger verfrachtet werden. Das heißt, ich höre eigentlich nur ein zartes Trippeln, es bellt keiner dieser Hunde.

Nach langer Zeit, so kommt es mir jedenfalls vor, ist die gesamte Prozedur beendet und die Männer fahren weg.

Tja, zwischen dem Wegfahren der Männer und dem Handy-Weckton bleibt nicht mehr viel Zeit. Also rasch noch eine Runde Schlaf dazu.

Sekunden nach dem Handy-Weckton springe ich aus dem Bett und richte, wie immer, unser Frühstück her. Ich empfinde die Temperatur in der Finca kalt, sehe auf meine Wetteruhr, die zeigt gerade mal 21,2° C. Brrrr, ich hole mir meine Fleece-Jacke, die Leggin habe ich ohnehin schon an. Ein vorsichtiger Blick aus dem Fenster verrät mir: Strahlend blauer Himmel, keine einzige Wolke am Himmel Exclamation Na super, dann können wir ja unsere geplante Wanderung durchführen Exclamation

Ich wecke Michi, wir frühstücken wie immer gemütlich und ziehen los.

Auf der GC 60 fahren wir in Richtung Norden, über San Bartolomé weiter nach Ayacata. Relativ kurz hinter Ayacata zweigt linkerhand die GC 661 nach El Juncal ab.

Nach einer relativ kurzen Fahrt auf der GC 661 gelangen wir zum Parkplatz in El Juncal und stellen den Jeep ab. Wanderschuhe angezogen, Rucksäcke geschnappt und los geht es.

Lustig ist, als die Kirchturmuhr punkt Elf schlägt - mit den Klängen des Big Ben Exclamation

Das Haus, das im April 2005 eine österreichische Flagge gehisst hatte, wurde entweder von einem Spanier gekauft oder der eventuell noch österreichische Besitzer hat nun spanische Gäste und deswegen die spanische Flagge.

Egal, wir wandern weiter, immerhin liegen insgesamt 18 km vor uns.

Aber eines muss gesagt werden: El Juncal liegt wirklich schön, besonders die Höhlenwohnungen in höheren Lagen.

Angeblich wohnen in El Juncal 12 beim Gemeindeamt gemeldete Leute. Diese 12 Leute möchte ich gerne auf einmal sehen, denn das glaube ich nicht, El Juncal ist fast schon ein Geisterort.

So, wandern ist angesagt Exclamation Bei diesen traumhaften Ausblick kommen wir nur langsam vorwärts.

Wir kommen zur "Finca privado", die jetzt sogar eine Solarzelle zur Stromerzeugung hat. Wieder eine Neuerung!

Mittlerweile ist uns so heiß, dass Michi in der Badehose weiter wandert, ich ziehe den Bikini vor.

Wie erwartet, taucht linkerhand von uns das Forsthaus auf. Im Garten sitzen ein paar Leute, lachen, trinken, essen. Ein jüngerer Mann kommt gerade mit seinem Hund heraus. Na gut, er wird mich ja nicht gleich beißen. Der Hund scheint gut erzogen zu sein, er hat kein Interesse an mir, dafür der junge Mann, wohl deshalb, weil ich im Bikini unterwegs bin. Rasch verschwinde ich hinter der nächsten Kurve und weg bin ich Exclamation Ätsch Exclamation Laughing Laughing

Wir kommen zur Kreuzung, wo wir uns entscheiden müssen: Gehen wir, wie im April, zuerst den Waldweg hoch oder steigen wir über die Absperrung (Kette) und gehen den Forstweg entlang.

Michi meint, zur Abwechslung mal etwas Anderes, er würde das über die Kette Steigen vorschlagen. Passt mir nicht in den Kram, denn dann hätten wir am Rückweg keine Sonne zur Beleuchtung der Felsen, aber "Mann" setzt sich durch.

Wir hören immer wieder Schüsse, mal weniger, mal weiter entfernt. Es werden Wildtauben, Wildkaninchen und Rebhühner gejagt. Hoffentlich verwechselt uns niemand Exclamation Aber ist mein Rucksack knallgelb, der von Michi blitzblau, wird schon gut gehen.

Die Luft ist sehr klar, sodass wir einen schönen Blick auf den Roque Nublo und den Roque Bentayga haben. Letzterer ist wegen seines Hintergrundes kaum auszunehmen, wenn ich ihn heran zoome, sieht man ihn viel besser.

Um 14:00 verspüren wir Hunger, suchen uns ein geeignetes Plätzchen und verspeisen je eine kleine Dose Fischkonserve, zur der Vitamin-Versorgung gibt es noch je 1 Apfel.

Anschließend wandern wir weiter und sind gegen 14:30 Uhr beim Gedenkschrein. Von hier soll es lt. Wanderführer nicht mehr weit bis zur Abzweigung sein, die unseren Loop vollenden soll.

Ach, zu dumm, genau in jener großzügig ausgebauten Kurve, wo wir die Aussicht genießen wollen, kommt plötzlich ein VW-Bus daher und parkt sich haarscharf bei uns ein.

Egal, was soll's. Wir wandern durch den Pinienwald weiter, viele Pinienzapfen liegen am Boden, ein paar davon sind so schön und unversehrt, dass ich sie am liebsten mitnehmen würde, doch ich lasse sie liegen.

Mist Exclamation Das Wetter wird schlechter, d. h., es zieht Nebel vom Tal herauf und es wird natürlich kälter. Na super Exclamation Und wir sind noch sooo weit vom Ziel entfernt, das kann ja heiter werden...

Und es wird noch weitaus heiterer, als es sich Michi vorerst noch dachte.

Ich melde nämlich Bedenken an, dass wir auf einer falschen Route unterwegs sind.

"Quatsch, wir sind richtig".
Ich schlucke mal alles runter, was ich sagen wollte. Doch mit jedem halben Kilometer wird es mir unheimlicher:
Wir gehen nach Westen statt nach Osten.

Ich bitte Michi,stehen zu bleiben, ich möchte den Kompass aus seinem Rucksack holen.

Er triumphiert schon auf "jetzt werde ich es dir beweisen, dass wir richtig sind", dreht den Kompass ein paar Mal hin, ein paar Mal her und zeigt mir dann stolz das Ergebnis, er wisse jetzt, wo Norden ist und wisse daher, wo wir unterwegs sind - nämlich am richtigen Weg.

Das gibt's doch nicht Exclamation Habe ich denn überhaupt keinen Orientierungssinn mehr Question

Dumm ist aber folgendes: Dort, wo wir gehen, ist kein Massentourismus, genauer gesagt, hier geht kein Mensch. Bedeutet, es gibt keinerlei Schilder bzw. Hinweise, welcher Weg wohin führt. Es gibt nicht den geringsten Anhaltspunkt.

Das Wetter wird schlechter und schlechter, die Sicht ins Tal ist uns vollkommen genommen worden. Wenigstens haben wir genug Wasser mit.

Wiederum äußere ich Bedenken, dass wir falsch sein könnten. "Nein, nie im Leben. Sieh dir doch diese Höhle an, an die kann ich mich genau erinnern".

Ja-ja, jede Höhle sieht anders aus... Ich kann mich an die Höhle jedenfalls nicht erinnern…

Dann Michi "Den Felsblock erkennst du aber jetzt schon wieder oder auch nicht Question ".

Ups, nein, auch den erkenne ich nicht wieder. Der Alzi lässt grüßen, ich werde nachdenklich…

Michis nächstes Argument "na, aber den Felsdurchbruch wirst du doch wohl noch kennen, den kenne ja sogar ich".

Uih, uih, Angie, ao fängt also das Alter an... Auch an diesen bestimmten Felsdurchbruch kann ich mich nicht erinnern, mir fällt auch kein entsprechendes Foto dazu ein, obwohl wir im April viele Fotos gemacht haben.

Um 17:30 Uhr werde ich mutig und sage "stopp, jetzt reicht es. Ich gehe keinen Schritt weiter, außer wir gehen zurück. Wir sind falsch, das ist meine fixe Meinung und wenn du mir das absolute Gegenteil beweisen kannst, ziehe ich meinen nicht vorhandenen Hut".

Michi etwas kleinlaut: "Ich denke mir auch schon seit einiger Zeit, dass wir eventuell ( Exclamation ) in die falsche Richtung gehen, aber ich dachte andererseits auch, dass wir richtig sein könnten".

Einmal falsch, einmal richtig - also was denn nun Question

Es gibt keine weiteren Diskussionen, denn ich mache kehrt und Michi ebenso.

In meinem Hirn kreisen 100 Gedanken: Es ist 17:30 Uhr vorbei. Vom Gedenkschrein bis nach El Juncal sind es 1,5 Stunden, aber von dort, wo wir im Moment stehen, sind es auch mindestens 1,5 Stunden nur bis zum Gedenkschrein Exclamation Macht zusammen gerechnet mindestens 3 Stunden aus, Pause nicht mitgerechnet, ein ordentliches Tempo vorausgesetzt. Dann wäre es 20:30 Uhr und somit finster. Herrliche Aussichten Exclamation

Erinnerungen an unsere verirrte Wanderung im Juni 2005 in Kirchberg werden wach. Damals brauchten wir fremde Hilfe, um wieder auf den richtigen Weg zu finden. Doch das war seinerzeit relativ leicht, denn wir brauchten nur Herrn P. anzurufen. Außerdem gab es keinerlei sprachliche Probleme. Aber jetzt Question Es gibt keinen Herrn P., der uns weiter helfen kann, es gibt sprachliche Probleme, wir wissen nicht mal, wen wir anrufen könnten, wir sind völlig auf uns gestellt.

Mittlerweile habe ich mir auf Grund der kühleren Temperaturen (naja, von 33 auf 26° C abgefallen) mein T-Shirt übergezogen, Michi sein Hemd und wir gehen, nein, wir laufen fast zurück. Immer wieder kommt von Michi die Meldung "warum müssen wir so schnell gehen Question " und meine immer wieder gleich lautende Antwort "weil wir es sonst nicht bis zum Beginn der Dunkelheit schaffen, beim Jeep zu sein".

Endlich sind wir wieder (um 18:30 Uhr) beim Gedenkschrein und ab da wird das Wetter wieder besser, genau genommen, traumhaft.

Die Berge leuchten in den schönsten Farben, trotz der Eile schieße ich ein paar Fotos.

Michi glaubt mir nicht (eh klar), dass wir vom Schrein mindestens (lt. Wanderführer) 1,5 Stunden bis nach El Juncal brauchen würden, er meint, das haben wir gleich.

Vonwegen gleich...

Im Laufschritt geht es weiter, man könnte es auch fast power walking nennen. Ich bin mir immer noch unsicher, ob wir es zeitmäßig schaffen, aber immerhin bin ich schon ein wenig positiver eingestellt.

Michi stellt fest, es war die beste Idee, zurück zu gehen, denn wer weiß, wohin wir sonst gekommen wären.

Sehr witzig Exclamation

Ich krame wiederum die Wanderkarte hervor und zeige ihm, auf welcher (falschen) Route wir unterwegs sind, nämlich auf einem sogenannten Karrenweg Richtung Südwesten - dabei wollen wir weder nach Süden, noch nach Westen, sondern nach Osten Exclamation

Rasch noch ein paar Fotos gemacht und weiter geht's.


Das wiederum kann er im Moment nicht ganz glauben, läuft aber trotzdem mit mir zurück. Sehr lobenswertSmile

Um exakt 20:00 Uhr sind wir in El Juncal, keine Minute zu früh Exclamation Es wird schon dämmrig und wiederum schlägt die Glocke von der kleinen Kirche. Michi schlägt vor, wir müssen alleine wegen des Big-Ben-Geläutes nochmal nach El Juncal zurück.

Kurz nach 21 Uhr sind wir bei der Finca. Meine Güte, bin ich vielleicht müde Exclamation Aber noch ist nicht ans Bett zu denken. Ich gehe duschen und richte unser Abendessen her. Dass das Überspielen der Fotos und den Reisebericht tippen auch noch kurzfristig Winken Zeit in Anspruch nimmt, versteht sich von selbst.

Um 1:00 Uhr, eigentlich schon des nächsten Tages, gehe ich endlich ins Bett.

 

Kilometerstand am Ende des Tages: 29.023