Februar 2006 – der erste Übersiedlungsgut-Flug

 

Langsam frage ich mich: Wann hört Michi wirklich mit der Arbeit auf Sein Schlaganfall hat ihm ganz schön zugesetzt, das merke nicht nur ich, sondern auch er selbst – die Leistungsfähigkeit ist einfach nicht mehr das, was sie einmal war. Aber seitens der Firma kommt keine Meldung zum Ende des Dienstverhältnisses – was soll das
Diese Gedanken muss ich vorläufig auf die berühmte lange Bank schieben, denn jetzt muss ich endlich das Gepäck für unseren ersten Übersiedlungsgut-Flug packen, Inhaltslisten schreiben, abwiegen, vermessen und bei der Airline anmelden.

Nun hocke ich also Stunde für Stunde, Tag für Tag, packe insgesamt drei Koffer und vier Reisetaschen. Nebenbei schreibe ich pro Transportbehälter ganz genaue Inhaltslisten und kopiere sie. Die Originale lege ich in die entsprechenden Koffer bzw. Reisetaschen, die Kopien wandern in mein Handgepäck.

Letztendlich verpacke ich noch mein Didgeridoo, das ich 1998/1999 von Australien mitbrachte, denn das muss unbedingt in unsere neue Heimat mit.

Das wäre also geschafft und ich melde das mittlerweile abgewogene und vermessene Gepäck per Mail bei der Airline an. Wie erwartet, kommt kurz darauf die Bestätigungsmail, dass das Übersiedlungsgut für unseren Flug angemeldet sei. Diese Information drucke ich sicherheitshalber aus, ab damit ins Handgepäck.

Kann ich jetzt endlich die ausständigen Mails beantworten Nein, sie müssen noch ein wenig warten, denn auf mich warten ein paar Tausend Analogfotos, die ich unbedingt einscannen muss. Die vielen Fotoalben möchte ich nämlich nicht mitnehmen, sie sind nicht nur Platz raubend, sondern haben auch ein unheimliches Gewicht. Nun scanne ich also tagelang Fotos vergangener Urlaube ein, eine etwas ermüdende Tätigkeit.

... und dann kommt Mittwoch, der 15. Februar 2006... Michi arbeitet zu Hause und mein PC meldet einen Maileingang. Ja, ich weiß, das soll vorkommen und bei mir ist es auch besonders häufig, aber beim Lesen der neuen Mail erstarre ich

Nein Ich will es nicht glauben, ich kann es nicht glauben, es kann ganz einfach nicht wahr sein

Immer wieder lese ich die Mail, der erschütternde Text ändert sich aber nicht Dicke Tränen kullern mir hinunter
Michi fragt, was denn los sei, ich kann nur auf den Monitor deuten, denn ich bringe kein Wort heraus…
Und kurz darauf höre ich Michis Worte: „Nein, das gibt es doch gar nicht “.
Zum x-ten Mal lese ich die Mail, bin ohne Ende fassungslos, Michi geht es genauso.

Unser Freund G., der zusammen mit S. auf La Palma wohnt, hat sich am 12. Februar das Leben genommen

Warum nur Die beiden sollten doch seit drei Monaten in Nepal auf Urlaub sein Und wir wollten sie in den nächsten Monaten wiederum auf La Palma besuchen, da wir dann sozusagen Nachbarn sind

Wie verkraftet S. den Tod von G. Hat S. jemanden, mit dem er darüber reden kann Soweit ich weiß, eher nicht, aber kann und will er überhaupt darüber reden
Fragen ohne Antworten…

Nach über einer Stunde bin ich fähig, S. per Mail anzubieten, dass wir telefonieren können, wenn er das Bedürfnis hat. Nur Minuten später kommt seine Zusage zum Telefonat, das wir kurz darauf führen.

Michi und mir wird dadurch alles viel klarer, aber die Trauer um G. bleibt bestehen…

Draußen ist tiefster Winter, in Linz liegt so viel Schnee wie schon seit Jahren nicht mehr. Als hätte ich nichts Besseres zu tun, muss ich oft mehrmals täglich Schnee schaufeln. Dieser Winter zeigt uns ganz deutlich, dass wir für diese Breitengrade nicht geschaffen sind, auch wenn wir hier geboren wurden. Nein – nix wie weg

Endlich ist Sonntag, der 19. Februar 2006 und die Fahrt nach Zustorf nahe des Franz Josef Strauß – Airports München steht bevor.
Wir packen unser Auto und los geht’s

Nach dem Einchecken im Landgasthof Lintsche fahren wir zum Airport weiter, da wir den Vorabend-check-in nutzen wollen.
Dort stehen wir nun in der langen Warteschlange. Vor und hinter uns ausnahmslos Touristen, wir hingegen mit zwei Gepäckswägen mit sehr viel Gepäck. Das ist verständlicher Weise der Grund, weshalb wir wie Außerirdische beäugt werden

Wir sind an der Reihe und nun kommt, was kommen muss: Der Monitor zeigt „verdächtige“ Teile in unseren Gepäcksstücken, weshalb wir zur Seite gebeten werden und auspacken dürfen. Einige der Touristen rund um uns kommen aus dem Staunen nicht mehr heraus und Sätze wie „wos monche Leit im Urlaub mitschleppe“ bringen mich zum Schmunzeln.

Wir fliegen nicht in den Urlaub, wir wandern aus

Alle „gefährlichen“ Teile sind mittlerweile geklärt, ich habe die zweifelhafte ehrenvolle Aufgabe, die Koffer und Reisetaschen wieder zu packen, anschließend dürfen wir zum Check in. Ich reiche der Dame den Ausdruck für das angemeldete Übergepäck und es gibt keinerlei Unklarheiten.
Klar ist auch, dass es anschließend ans Zahlen geht. Pro Kilo Übergepäck € 4,00.

Anschließend fahren wir wieder zum Landgasthof zurück und ich rufe trotz der späten Stunde unsere Freundin S. auf Gran Canaria an. Sie hat etliche positive Neuigkeiten, was unser zukünftiges Miethaus betrifft. Jetzt werden wir noch ungeduldiger

Am nächsten Morgen werden wir um 4.40 Uhr mit dem Hotel-Shuttle zum Airport gebracht.
Der Abflug erfolgt pünktlich, ebenso pünktlich ist unsere Zwischenlandung auf Fuerteventura und nach kurzem Weiterflug landen wir am Airport unserer zukünftigen Heimat: GRAN CANARIA

Unser ganzes Gepäck ist mit uns geflogen, wir nehmen unser Mietauto entgegen und fahren voll bepackt in die Berge von Gran Canaria, direkt zu unserer Freundin S.

Sie erwartet uns schon und kurz darauf kommen einige Familienmitglieder unseres Vermieters. Im Konvoi fahren wir zu „unserem“ Haus, das wir nach nur 2 km erreichen.

Wir steigen aus, mein Herz rast. DAS ist unser zukünftiges Haus Von außen sieht es wunderschön aus Es steht in einem kleinen Garten, in dem Orangen- und Zitronenbäume wachsen, dessen Früchte gerade reif sind. Auch einen Papayabaum gibt es, der ebenfalls Früchte trägt.


Aber nun hinauf auf die Dachterrasse Von dort sehen wir bei strahlend blauem Himmel direkt zum Pico de las Nieves, dem höchsten Punkt der Insel

Unter uns liegt der Barranco de Tirajana, in dem zahlreiche Palmen wachsen. Schafe blöken in der Nähe, Ziegen meckern, Hunde bellen, Hähne krähen – DAS ist es, was wir wollen: Leben am Land, umgeben von den Bergen dieser wunderschönen Insel

Endlich sperrt M., die Tochter des Vermieters, der aus beruflichen Gründen jetzt nicht anwesend ist, das Haus auf. Mein Blick fällt sofort auf die im typischen kanarischen Stil eingerichtete Küche Auch der Wohnzimmerkasten sowie der Esstisch mit den Sesseln gefallen uns auf Anhieb.

Etwas weniger gefällt uns die Sitzgarnitur im Wohnzimmer sowie die Einrichtung der beiden Schlafzimmer, wobei wir ohnehin nur eines benötigen.

Und das, was wir vorher schon von S.s Erzählungen her wussten, sehen wir nun selbst: Die Wände haben durch den letzten sehr regenreichen Winter stark gelitten, sie sind feucht, teilweise bröckelt ein wenig Putz und noch mehr die Farbe ab. Doch das ist für uns kein Problem, das bekommen wir schon hin.

S., die uns als Dolmetscherin behilflich ist, übersetzt, dass wir innerhalb des Hauses alles machen dürfen, was wir wollen. Möbelstücke, die wir nicht gebrauchen können, werden vom Vermieter oder seinen beiden Söhnen abgeholt, wir sollen nur Bescheid geben.
Des Weiteren wird das Bad nach unseren Wünschen renoviert. Wir sollen deshalb in den nächsten Tagen Wandfliesen sowie einen Waschtisch mit Spiegel und Unterschrank, ferner ein WC und Bidet aussuchen. Auch bei den Armaturen, die ebenfalls erneuert werden, haben wir freie Wahl. Es wird uns der Name eines Geschäftes in Vecindario genannt, das wir aufsuchen sollen.
An der Nordseite des Hauses wird in den nächsten Wochen eine Drainage gelegt, und-und-und.

Habe ich jetzt richtig gehört oder durch den Flug einen Hörschaden erlitten Das gibt es doch gar nicht

Die nächsten Tage sind mit vielen Einkäufen ausgefüllt. Nebenbei bringe ich etwas Ordnung in den Garten, schneide von den Pflanzen Verwelktes ab, wir suchen das Bäder-Geschäft in Vecindario auf und gehen nie vor Mitternacht ins Bett. Auch sind wir bereits im Besitz eines Ölradiators, denn hier auf 700 m Höhe ist es um diese Jahreszeit doch empfindlich kalt.

Dumm ist nur, dass immer wieder der FI fällt und wir wissen nicht, warum. Es muss etwas mit den sehr feuchten Wänden und der darin befindlichen Elektroinstallation zu tun haben, aber ganz sicher sind wir uns nicht, denn der Boiler ist auch verdächtig.

Eines der wichtigsten Punkte dieser Woche ist, uns am Gemeindeamt anzumelden. Das ist der erste Schritt, den wir für die nötige „Tarjeta de Extranjeros“ tun wollen und müssen. Die Anmeldung ist rasch erledigt und wenn wir das nächste Mal im April hierher fliegen, können wir bereits den zweiten Schritt für die Tarjeta unternehmen.
Die „Tarjeta de Extranjeros“ ist eine Art Personalausweis, mit Lichtbild, Fingerabdruck und letztendlich auch der Steuernummer. Sie ist der Nachweis, dass wir hier auf Gran Canaria gemeldet sind und nicht als U-Boote leben. Ohne dieser Tarjeta könnten wir z. B. kein Bankkonto eröffnen, kein Auto kaufen usw.

Achja, dann hätten wir noch den Mietvertrag für das Haus... Er umfasst schlichte 10 Seiten, natürlich in spanischer Sprache. Wiederum ist uns S. eine große Hilfe, auf sie ist wirklich in jeder Hinsicht Verlass
Letztendlich muss jede Seite sowohl vom Vermieter als auch von uns unterschrieben werden.

Diese erste Übersiedlungswoche geht schneller vorbei als uns lieb ist und am 27. Februar sitzen wir wieder im Flieger retour nach München (mit nahezu leeren Gepäckstücken) und mit dem Auto geht es wieder nach Linz zurück.

Die Hausausräumarbeiten gehen weiter, auch bin ich beim Aussortieren für den nächsten Übersiedlungsgut-Flug, der am 15. April sein wird. Dieser Flug ist bereits gebucht, das Zimmer im Landgasthof Lintsche reserviert – und die Zeit wird rasen

Vom Makler ist nichts zu hören, allerdings ist auch noch nicht viel Zeit verstrichen.