Langsam frage ich mich: Wann hört
Michi wirklich mit der Arbeit auf
Sein Schlaganfall hat ihm ganz schön zugesetzt,
das merke nicht nur ich, sondern auch er selbst
– die Leistungsfähigkeit ist einfach
nicht mehr das, was sie einmal war. Aber seitens
der Firma kommt keine Meldung zum Ende des Dienstverhältnisses
– was soll das 
Diese Gedanken muss ich vorläufig auf die berühmte
lange Bank schieben, denn jetzt muss ich endlich
das Gepäck für unseren ersten Übersiedlungsgut-Flug
packen, Inhaltslisten schreiben, abwiegen, vermessen
und bei der Airline anmelden.
Nun hocke ich also Stunde für Stunde, Tag
für Tag, packe insgesamt drei Koffer und vier
Reisetaschen. Nebenbei schreibe ich pro Transportbehälter
ganz genaue Inhaltslisten und kopiere sie. Die Originale
lege ich in die entsprechenden Koffer bzw. Reisetaschen,
die Kopien wandern in mein Handgepäck.

Letztendlich verpacke ich noch mein Didgeridoo,
das ich 1998/1999 von Australien mitbrachte, denn
das muss unbedingt in unsere neue Heimat mit.
Das wäre also geschafft und ich melde das
mittlerweile abgewogene und vermessene Gepäck
per Mail bei der Airline an. Wie erwartet, kommt
kurz darauf die Bestätigungsmail, dass das
Übersiedlungsgut für unseren Flug angemeldet
sei. Diese Information drucke ich sicherheitshalber
aus, ab damit ins Handgepäck.
Kann ich jetzt endlich die ausständigen Mails
beantworten
Nein, sie müssen noch ein wenig warten, denn
auf mich warten ein paar Tausend Analogfotos, die
ich unbedingt einscannen muss. Die vielen Fotoalben
möchte ich nämlich nicht mitnehmen, sie
sind nicht nur Platz raubend, sondern haben auch
ein unheimliches Gewicht. Nun scanne ich also tagelang
Fotos vergangener Urlaube ein, eine etwas ermüdende
Tätigkeit.
... und dann kommt Mittwoch, der 15. Februar 2006...
Michi arbeitet zu Hause und mein PC meldet einen
Maileingang. Ja, ich weiß, das soll vorkommen
und bei mir ist es auch besonders häufig, aber
beim Lesen der neuen Mail erstarre ich
Nein
Ich will es nicht glauben, ich kann es nicht glauben,
es kann ganz einfach nicht wahr sein
Immer wieder lese ich die Mail, der erschütternde
Text ändert sich aber nicht
Dicke Tränen kullern mir hinunter   
Michi fragt, was denn los sei, ich kann nur auf
den Monitor deuten, denn ich bringe kein Wort heraus…
Und kurz darauf höre ich Michis Worte: „Nein,
das gibt es doch gar nicht “.
Zum x-ten Mal lese ich die Mail, bin ohne Ende fassungslos,
Michi geht es genauso.
Unser Freund G., der zusammen mit S. auf La Palma
wohnt, hat sich am 12. Februar das Leben genommen
Warum nur
Die beiden sollten doch seit drei Monaten in Nepal
auf Urlaub sein
Und wir wollten sie in den nächsten Monaten
wiederum auf La Palma besuchen, da wir dann sozusagen
Nachbarn sind 
Wie verkraftet S. den Tod von G.
Hat S. jemanden, mit dem er darüber reden kann
Soweit ich weiß, eher nicht, aber kann und
will er überhaupt darüber reden 
Fragen ohne Antworten…
Nach über einer Stunde bin ich fähig,
S. per Mail anzubieten, dass wir telefonieren können,
wenn er das Bedürfnis hat. Nur Minuten später
kommt seine Zusage zum Telefonat, das wir kurz darauf
führen.
Michi und mir wird dadurch alles viel klarer, aber
die Trauer um G. bleibt bestehen…
Draußen ist tiefster Winter, in Linz liegt
so viel Schnee wie schon seit Jahren nicht mehr.
Als hätte ich nichts Besseres zu tun, muss
ich oft mehrmals täglich Schnee schaufeln.
Dieser Winter zeigt uns ganz deutlich, dass wir
für diese Breitengrade nicht geschaffen sind,
auch wenn wir hier geboren wurden. Nein –
nix wie weg 
Endlich ist Sonntag, der 19. Februar 2006 und die
Fahrt nach Zustorf nahe des Franz Josef Strauß
– Airports München steht bevor.
Wir packen unser Auto und los geht’s 

Nach dem Einchecken im Landgasthof Lintsche fahren
wir zum Airport weiter, da wir den Vorabend-check-in
nutzen wollen.
Dort stehen wir nun in der langen Warteschlange.
Vor und hinter uns ausnahmslos Touristen, wir hingegen
mit zwei Gepäckswägen mit sehr viel Gepäck.
Das ist verständlicher Weise der Grund, weshalb
wir wie Außerirdische beäugt werden
Wir sind an der Reihe und nun kommt, was kommen
muss: Der Monitor zeigt „verdächtige“
Teile in unseren Gepäcksstücken, weshalb
wir zur Seite gebeten werden und auspacken dürfen.
Einige der Touristen rund um uns kommen aus dem
Staunen nicht mehr heraus und Sätze wie „wos
monche Leit im Urlaub mitschleppe“ bringen
mich zum Schmunzeln.
Wir fliegen nicht in den Urlaub, wir wandern aus
Alle „gefährlichen“ Teile sind
mittlerweile geklärt, ich habe die zweifelhafte
ehrenvolle Aufgabe, die Koffer und Reisetaschen
wieder zu packen, anschließend dürfen
wir zum Check in. Ich reiche der Dame den Ausdruck
für das angemeldete Übergepäck und
es gibt keinerlei Unklarheiten.
Klar ist auch, dass es anschließend ans Zahlen
geht. Pro Kilo Übergepäck € 4,00.
Anschließend fahren wir wieder zum Landgasthof
zurück und ich rufe trotz der späten Stunde
unsere Freundin S. auf Gran Canaria an. Sie hat
etliche positive Neuigkeiten, was unser zukünftiges
Miethaus betrifft. Jetzt werden wir noch ungeduldiger
Am nächsten Morgen werden wir um 4.40 Uhr
mit dem Hotel-Shuttle zum Airport gebracht.
Der Abflug erfolgt pünktlich, ebenso pünktlich
ist unsere Zwischenlandung auf Fuerteventura und
nach kurzem Weiterflug landen wir am Airport unserer
zukünftigen Heimat: GRAN CANARIA
Unser ganzes Gepäck ist mit uns geflogen,
wir nehmen unser Mietauto entgegen und fahren voll
bepackt in die Berge von Gran Canaria, direkt zu
unserer Freundin S.
Sie erwartet uns schon und kurz darauf kommen einige
Familienmitglieder unseres Vermieters. Im Konvoi
fahren wir zu „unserem“ Haus, das wir
nach nur 2 km erreichen.
Wir steigen aus, mein Herz rast. DAS ist unser
zukünftiges Haus
Von außen sieht es wunderschön aus
Es steht in einem kleinen Garten, in dem Orangen-
und Zitronenbäume wachsen, dessen Früchte
gerade reif sind. Auch einen Papayabaum gibt es,
der ebenfalls Früchte trägt.

Aber nun hinauf auf die Dachterrasse
Von dort sehen wir bei strahlend blauem Himmel direkt
zum Pico de las Nieves, dem höchsten Punkt
der Insel 

Unter uns liegt der Barranco de Tirajana, in dem
zahlreiche Palmen wachsen. Schafe blöken in
der Nähe, Ziegen meckern, Hunde bellen, Hähne
krähen – DAS ist es, was wir wollen:
Leben am Land, umgeben von den Bergen dieser wunderschönen
Insel 
Endlich sperrt M., die Tochter des Vermieters,
der aus beruflichen Gründen jetzt nicht anwesend
ist, das Haus auf. Mein Blick fällt sofort
auf die im typischen kanarischen Stil eingerichtete
Küche
Auch der Wohnzimmerkasten sowie der Esstisch mit
den Sesseln gefallen uns auf Anhieb.
Etwas weniger gefällt uns die Sitzgarnitur
im Wohnzimmer sowie die Einrichtung der beiden Schlafzimmer,
wobei wir ohnehin nur eines benötigen.
Und das, was wir vorher schon von S.s Erzählungen
her wussten, sehen wir nun selbst: Die Wände
haben durch den letzten sehr regenreichen Winter
stark gelitten, sie sind feucht, teilweise bröckelt
ein wenig Putz und noch mehr die Farbe ab. Doch
das ist für uns kein Problem, das bekommen
wir schon hin.
S., die uns als Dolmetscherin behilflich ist, übersetzt,
dass wir innerhalb des Hauses alles machen dürfen,
was wir wollen. Möbelstücke, die wir nicht
gebrauchen können, werden vom Vermieter oder
seinen beiden Söhnen abgeholt, wir sollen nur
Bescheid geben.
Des Weiteren wird das Bad nach unseren Wünschen
renoviert. Wir sollen deshalb in den nächsten
Tagen Wandfliesen sowie einen Waschtisch mit Spiegel
und Unterschrank, ferner ein WC und Bidet aussuchen.
Auch bei den Armaturen, die ebenfalls erneuert werden,
haben wir freie Wahl. Es wird uns der Name eines
Geschäftes in Vecindario genannt, das wir aufsuchen
sollen.
An der Nordseite des Hauses wird in den nächsten
Wochen eine Drainage gelegt, und-und-und.
Habe ich jetzt richtig gehört oder durch den
Flug einen Hörschaden erlitten
Das gibt es doch gar nicht 
Die nächsten Tage sind mit vielen Einkäufen
ausgefüllt. Nebenbei bringe ich etwas Ordnung
in den Garten, schneide von den Pflanzen Verwelktes
ab, wir suchen das Bäder-Geschäft in Vecindario
auf und gehen nie vor Mitternacht ins Bett. Auch
sind wir bereits im Besitz eines Ölradiators,
denn hier auf 700 m Höhe ist es um diese Jahreszeit
doch empfindlich kalt.
Dumm ist nur, dass immer wieder der FI fällt
und wir wissen nicht, warum. Es muss etwas mit den
sehr feuchten Wänden und der darin befindlichen
Elektroinstallation zu tun haben, aber ganz sicher
sind wir uns nicht, denn der Boiler ist auch verdächtig.
Eines der wichtigsten Punkte dieser Woche ist,
uns am Gemeindeamt anzumelden. Das ist der erste
Schritt, den wir für die nötige „Tarjeta
de Extranjeros“ tun wollen und müssen.
Die Anmeldung ist rasch erledigt und wenn wir das
nächste Mal im April hierher fliegen, können
wir bereits den zweiten Schritt für die Tarjeta
unternehmen.
Die „Tarjeta de Extranjeros“ ist eine
Art Personalausweis, mit Lichtbild, Fingerabdruck
und letztendlich auch der Steuernummer. Sie ist
der Nachweis, dass wir hier auf Gran Canaria gemeldet
sind und nicht als U-Boote leben. Ohne dieser Tarjeta
könnten wir z. B. kein Bankkonto eröffnen,
kein Auto kaufen usw.
Achja, dann hätten wir noch den Mietvertrag
für das Haus... Er umfasst schlichte
10 Seiten, natürlich in spanischer Sprache.
Wiederum ist uns S. eine große Hilfe, auf
sie ist wirklich in jeder Hinsicht Verlass 
Letztendlich muss jede Seite sowohl vom Vermieter
als auch von uns unterschrieben werden.
Diese erste Übersiedlungswoche geht schneller
vorbei als uns lieb ist und am 27. Februar sitzen
wir wieder im Flieger retour nach München (mit
nahezu leeren Gepäckstücken) und mit dem
Auto geht es wieder nach Linz zurück.
Die Hausausräumarbeiten gehen weiter, auch
bin ich beim Aussortieren für den nächsten
Übersiedlungsgut-Flug, der am 15. April sein
wird. Dieser Flug ist bereits gebucht, das Zimmer
im Landgasthof Lintsche reserviert – und die
Zeit wird rasen 
Vom Makler ist nichts zu hören, allerdings
ist auch noch nicht viel Zeit verstrichen.
|